09.11.2014

Bildgebende Verfahren in der Neurowissenschaft: Diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie

Bei der Debatte um Tierexperimente (hier und hier) in der Neurowissenschaft kommt immer wieder das Argument, dass heutige bildgebende Verfahren invasive Studien überflüssig machen würden. Leider ist dies nicht der Fall. Aktuell berichten Thomas et al. aus Bethesda in Maryland, USA, in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America (PNAS) über die Grenzen des sogenannten Diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie: Anatomical accuracy of brain connections derived from diffusion MRI tractography is inherently limited

via Wikimedia Commons
Um neuronale Bahnen im Gehirn eines lebenden Organismuses zu identifizieren, werden meist neuronale Tracer verwendet, die injiziert werden müssen. Selbstverständlich ist eine derartig invasive Methode keine Option für das menschliche Gehirn. Hier wird seit geraumer Zeit die Diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie (diffusion-weighted imaging, DWI) angewendet, um neuronale Bahnen auf Voxelebene im menschlichen Gehirn zu rekonstruieren. Diese Methode produziert mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRI) wundervolle Bilder, welche die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen zeigen und damit indirekt potentielle Nervenbahnen der Weißen Substanz. Eine Variante des DWI ist die sogenannte Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI), die auch die Richtung der Diffusion bestimmt. Diese Methode wird unter anderen auch im Human Connectome Project, dem amerikanischen Pendant zum europäischen (und umstrittenen) Human Brain Project, verwendet. 

Jetzt würden einige sagen, super, dann kann man dieses DWI ja auch sonst überall anwenden und benötigt keine invasiven Tierversuche mehr. Leider getäuscht, wie Thomas et al. nun zeigten. Oft würde beim DWI davon ausgegangen, dass bessere Datenqualität und verbesserte Methoden die Genauigkeit erhöht mit der neuronale Bahnen bestimmt werden können. Thomas et al. kommen jedoch zu dem Schluss, dass dem nicht so sei. Für ihre Studie hatten sie das Gehirn eines toten Makaken mittels DWI untersucht. Da das Tier nicht mehr am Leben war (ex vivo), konnten typische Artefakte, wie durch Kopfbewegung, Herzschlag oder den Blutkreislauf verursacht, vermieden werden. Die Forscher hatten also ein DWI Datensatz mit äußerst guter Qualität erzeugt. Ein Datensatz des menschlichen Gehirns mit ähnlich guter Qualität würde tausende Stunden im Scanner bedeuten, so die Autoren. Nun verglichen die Forscher die Ergebnisse des DWI Datensatzes (mit verschiedenen Modellen) mit bekannten neuronalen Bahnen aus Tracerstudien und fanden heraus, dass die Übereinstimmung des DWI mit den Tracerstudien sehr schwach war. Außerdem hingen die Ergebnisse stark von technischen Parametern ab. Sie schlussfolgerten daher, dass DWI inhärente Grenzen hat, die auch nicht mit besseren Methoden/Modellen und Datenqualität behoben werden können.
Overall, even in ideal experimental conditions, the anatomical accuracy of DWI tractography is suboptimal. 
[...] 
A diffusion tractography technique that produces anatomically accurate results remains an elusive goal even with DWI data of exceptional quality. 
[...] 
We believe our results highlight an inherent limitation of DWI tractography: inferring fiber direction information from a water diffusion displacement profile is fundamentally a complex, underdetermined inverse problem that cannot be solved.

Dass diese Studie ein Umdenken im Bezug auf DWI einleiten wird, ist unwahrscheinlich. Sie zeigt aber erneut, dass histologische und neurophysiologische Methoden noch immer in der Wissenschaft unersetzbar sind. 

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