22.03.2020

Kommentar: Ausgangssperren und ihre unabsichtlichen Folgen

Vielen scheint eine Ausgangssperre das einzige Mittel zu sein, um die weitere Ausbreitung von Covid-19 (ein Coronavirus) aufzuhalten. Immer mehr Staaten und Regionen erlassen unterschiedlichste Formen von Ausgangssperren --- vielerorts inspiriert durch den "Erfolg" des "chinesischen Models".

Als Mensch mit liberalen Überzeugungen halte ich von Ausgangssperren nichts. Die derzeitige Situation rüttelt aber durchaus an meiner Ansicht, und es gibt eventuell gute Gründe lokal und zeitlich begrenzte Ausgangssperren zu verordnen. Dennoch möchte ich hier kurz auflisten, warum wir Ausgangssperren sehr kritisch sehen sollten.

Vorweg, einige Punkte:
  1. Ausgangssperren sind eine autoritäre Maßnahme. 
  2. Wir wissen nicht, ob Ausgangssperren wirklich über die bereits jetzt verordneten Maßnahmen hinweg wirken würden.
  3. Wir wissen nicht, ob weitreichende Ausgangssperren überhaupt durchsetzbar wären. 
  4. Wir wissen nicht, ob der Schaden durch Ausgangssperren nicht größer wäre als deren Nutzen.

Man sollte sich besonders die unbeabsichtigte Folgen (unintended consequences) einer Ausgangssperren bewusst machen. Im folgenden werde ich einige Folgen auflisten, die mir in den letzten Tagen in den Kopf kamen. Es gibt sicherlich noch weit mehr Folgen. Diese List erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständig- oder Richtigkeit.
  1. Ausgangssperren (zer)stören Liefer- und Versorgungsketten und tragen dadurch zu einer echten und nicht nur gefühlten Warenknappheit bei.
  2. Ausgangssperren führen zu mehr Hamsterkäufen.
  3. Ausgangssperren schaden der bereits äußerst angeschlagenen Wirtschaft.
  4. Ausgangssperren führen zu mehr häuslicher Gewalt.
  5. Ausgangssperren führen zu mehr psychischen Problemen. 
  6. Ausgangssperren führen zu Polizeigewalt bzw. Machtmissbrauch durch die Polizei (und ggf. das Militär).
  7. Ausgangssperren müssen durch polizeiliche Kräfte durchgesetzt werden und führen dadurch zu einer Knappheit an polizeilichen Kräften in anderen Gebieten.
  8. Ausgangssperren führen zu einem erhöhten Risiko sozialer Unruhen.
  9. Ausgangssperren schwächen das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Regierung und Behörden.
  10. Ausgangssperren können als Präzedenzfall angesehen werden und dadurch zu weiteren autoritären Maßnahmen beitragen --- besonders in Zeiten nach der Krise. 

Südkorea, Taiwan, und sogar das sonst autoritäre Singapur, meistern den Covid-19 Ausbruch meines Wissens nach bisher ohne größere Ausgangssperren oder massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Wir sollten deren Herangehensweise als Vorbild nehmen und nicht jene Chinas.


Siehe auch:


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