23.09.2012

Westerwelle, Niebel und die Meinungsfreiheit

Ich habe bereits vor knapp einer Woche über Westerwelles Ansichten zur Meinungsfreiheit gewettert. Nun gab der deutsche Außenminister ein Interview der Welt am Sonntag

Welt am Sonntag: Muss ein Liberaler nicht bedingungslos gegen ein Verbot von Meinungsäußerungen eintreten, und seien sie noch so dämlich? 
Westerwelle: Ich bin als Liberaler bei Freiheitseinschränkungen besonders sensibel. Aber dämliche Meinungen sind das eine, Beleidigungen und Verunglimpfungen etwas anderes. Ich kann der Meinung sein, dass Sie ein ganz schrecklicher Kerl sind. Aber ich dürfte Sie deshalb nicht beleidigen und mich dabei auf die Meinungsfreiheit berufen. Sie umfasst nicht das Recht, Andersgläubige oder Andersdenkende zu beleidigen und damit absichtsvoll den öffentlichen Frieden zu stören. Das gilt übrigens nicht nur für die unerträgliche Darstellung des Propheten als Kinderschänder, sondern auch für den Umgang mit Jahwe oder Jesus Christus.

Ich bin mir durchaus bewusst, Westerwelle ist Außenminister und muss seine Worte mit Bedacht wählen. Ferner ist mir bewusst, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit de jure nicht ohne Schranken gilt. 

Dennoch halte ich es für äußerst bedenklich, wenn ein Liberaler - zumindest nennen sich so die Anhänger der FDP - die Schranken der Meinungsfreiheit gut heißt. Natürlich, Beleidigungen sind nicht schön, aber wo hört dann die Meinungsfreiheit auf und wo fängt die Beleidigung an? Wo ist die Grenze? Und wer versichert mir, dass diese Grenze nicht dauernd willkürlich verschoben wird? 

Meinungsfreiheit ist nicht relativ! Meinungsfreiheit bedeutet Blasphemie, Meinungsfreiheit bedeutet Beleidigung, Meinungsfreiheit bedeutet zu sagen was man will und wie man es will, Meinungsfreiheit bedeutet das zu sagen, was andere nicht hören wollen! Das ist Meinungsfreiheit! 

Wenn man immer bedenken muss, ob dies und jenes was man sagt, nun beleidigend oder verletzend sein könnte, und man folglich vor staatlichen Repressionen Angst haben muss, dann herrscht keine Meinungsfreiheit. Dann herrscht Tyrannei! Ich darf über Jesus, Gott, Jahwe, Mohammed, Allah, aber auch über Herrn Westerwelle und sonst wen - real-existierend oder fiktiv - sagen was ich will! Und wenn es noch so beleidigend sein mag. Denn das macht wahre Meinungsfreiheit aus; sie unterscheidet nicht zwischen Beleidigung und Meinung.

Doch Westerwelle ist nicht der einzige FDPler, der ein gestörtes Verhältnis zu Freiheitsidealen hat: Dirk Niebel, deutscher Entwicklungsminister und ebenfalls Mitglied der "liberalen" FDP, hat ebenso ein Verbot des Mohammed-Films gefordert. Er merkte zu seiner Forderung an: "Derjenige, der sich in dieser Frage auf grenzenlose Meinungsfreiheit beruft, hat keine Ahnung, welche Konflikte dadurch noch provoziert werden können." Genau, Herr Niebel. Aber merken Sie sich, wer die Meinungsfreiheit beschneidet, der befindet sich auf dem besten in den Totalitarismus. Ihre Argumentation erinnert an jene von angehenden Diktatoren, die sich unliebsamen Kritikern entledigen möchten. Um Konflikten zu entgehen und den sozialen Frieden zu wahren. Und jemand wie Niebel oder Westerwelle bezeichnen sich als liberal, als Menschen, deren wichtigstes Gut die Freiheit ist. Welch' Heuchelei!

Freiheit braucht Verantwortung, richtig, aber nicht Schranken. Mit willkürlichen Verboten werden Diktaturen aufgebaut, keine zivilisierten, freien Gesellschaften. Was ist Meinungsfreiheit, wenn man nur das sagen darf, was andere hören wollen. Wenn Meinungen verboten werden, weil sie zu gefährlich sind, weil sie eventuell irgendwelche gewaltaffinen Spinner beleidigen, dann regiert die Willkür, die Tyrannei.

Aber immerhin gibt es noch wahre "Liberale", wie Herrn Trittin von den Grünen, der sich gegen ein Film-Verbot aussprach. Verkehrte Welt.


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