25.06.2007

Broder - Ein jüdische Pausenclown

Nunmal veröffentlichte der liebe Herr Broder nach seiner Auszeichnung mit dem Ludwig-Börne-Preis zwei gewohnt polemische und wahre Berichte bei Spiegel Online.

Broder wurde 1946 in Kattowitz, Polen, geboren und kam mit seiner polnisch-jüdischen Familie über Wien nach Köln. Ohne ein Wort Deutsch zu können, las und lernte er verbissen, bis er das Abitur schaffte. In Deutsch bekam er eine Eins. Seit seinem Austritt aus der Linken 1981 und einem Bericht in der Zeit, konnte nichts mehr seinen Erfolg bremsen. Durch bisher 20 sehr witzig-polemische Werke wurde er immer bekannter und auch immer "verhasster".

Broder hält, als er mit dem Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet wird , eine lange Rede (mehr zu der Rede weiter unten im Bericht):
„Ich finde, für einen polnischen Juden habe ich es weit gebracht. [...]
Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?"

Weiter heißt es in dem Bericht über die Rede:
"Er sei ein jüdischer Pausenclown, der in der großen deutschen Manege seine Kunststücke zeigen darf, solange sie unterhaltsam sind, sagt er. Die Rolle mache ihm Spaß aber manchmal wäre er sie gerne los. Am Ende zitiert Broder ein Gedicht von Hanns Dieter Hüsch: „Ich sing für die Verrückten.“ Dann guckt er in Richtung Himmel, dahin, wo wohl niemand so gut hinpasst wie der verstorbene Kabarettist. Die Gäste stehen auf und klatschen Broder zu. Seine fünf Gegner im Saal bleiben entschlossen sitzen."

In dem ersten kürzen Spiegelartikel geht es erstmal konkret um Salman Rushdie:
"Rushdie, so viel stand nach dem CNN-Interview mit Lord Ahmed fest, war der Provokateur, und die Muslime, die schon vor 18 Jahren wegen der "Satanischen Verse" Amok liefen und heute wieder seinen Kopf verlangen, sind die ewig unschuldigen Opfer, die nichts dafür können, dass sie gelegentlich ausrasten.

Und die Politik? Sie rutscht der Publizistik hinterher. Auf den Knien."

" "Dieser Mann", sagte Lord Ahmed auf CNN über Salman Rushdie, "hat nicht nur überall auf der Welt Gewalt verursacht, seinetwegen sind auch viele Menschen getötet worden. Vergeben und vergessen ist eine Sache, aber einen Mann zu ehren, an dessen Händen Blut klebt, das geht zu weit." "


Also Rushdie hat keine Menschen getötet, Moslems haben den japanischen Übersetzer getötet, Moslems haben sich in der Türkei getötet, nicht Rushdie... Rushdie wollte niemanden töten. Rushdie hat uns aber eins gezeigt, wir haben uns durch unsere Toleranz unser eigenes Grab gegraben.

"Unter den wenigen, die es wagten, Ursache und Wirkung wieder in das richtige Verhältnis zu bringen, war auch die kanadische Autorin Irshad Manji, eine liberale Muslima. Sie sei auch beleidigt, schrieb sie, "weil es eine Fatwa gibt, die Frauen dazu verurteilt, zu Hause zu bleiben und sich jederzeit zu bedecken", und weil "so viele andere Muslime nicht beleidigt sind", wenn bei Bombenanschlägen Muslime in Stücke gerissen werden. Es sei, "höchste Zeit, die Scheinheiligkeit im Namen des Islam zu verbannen". Denn: "Salman Rushdie ist nicht das Problem. Die Muslime selbst sind es." "


Der andere 3-Seitige Spiegelartikel enthält die komplette Rede Broders beim Erhalt des Ludwig-Börne-Preises:
"Wie finden Sie es, dass der Umweltminister Sigmar Gabriel demonstrativ Bahn fährt - nur um seinen Fahrer samt Dienstwagen zum Einsatzort nachreisen zu lassen? So kreuzen der Minister und sein Dienstwagen kreuz und quer durch die Republik, jeder für sich und doch vereint in dem Bemühen, die Umwelt zu schonen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Und keiner lacht."

Ein Nahostexperte erklärte vor Kurzem, dass für Europa keine Gefahr bestehen würde, sollte der Iran Atomwaffen haben. Nur "für die säkulare Türkei und natürlich für Israel", stellen diese eine Gefahr da, aber nicht für das "alte Europa". Dies kommentiert Broder folgendermaßen:
"Vermutlich geht der Mann davon aus, im Falle eines iranischen Atomangriffs auf die Türkei oder auf Israel würde sein Orient-Institut vom atomaren Fallout verschont bleiben, weil er immer so nett und respektvoll über die Mullahs und deren Politik gesprochen hat."

Alternative Schutzmaßnahme um sich vor dem Iran zu schützen:
"Alternativ dazu könnte man auch den Experten selbst als Abwehrwaffe aufbauen, auf einem freien Feld irgendwo in der Lüneburger Heide oder in der Mark Brandenburg, wo er sich dann mit weit ausgebreiteten Armen den anfliegenden iranischen Raketen entgegenstellen und rufen würde: "Verschont uns! Wir sind die Guten!""

Also keine Angst, denn:
"Der Mann in Teheran, der sich eine "World without Zionism" wünscht, der den letzten Holocaust leugnet und den nächsten plant, der sei doch nur ein Angeber und Wichtigtuer, ein Verbalradikaler, der sich mit markigen Sprüchen gegen seine Konkurrenten daheim zu profilieren versuche. Er meine es nicht so, und falls er doch an einer Atombombe baue, werde diese frühestens in drei bis fünf Jahren fertig sein. Kein Grund also, beunruhigt zu sein, zumal im schlimmsten aller Fälle es nur die säkulare Türkei und "natürlich Israel" erwischen würde."

Und außerdem:
""Fighting is no option" wäre ein schönes Motto für die europäische Verfassung, man sollte den Satz auch auf alle Euroscheine drucken."

"Vor die Wahl zwischen Depression und Aggression gestellt, habe ich mich immer für die Aggression entschieden. Das erschien mir bekömmlicher. Inzwischen freilich suche ich nach einem dritten Weg, nicht weil ich weiser, sondern weil ich müder geworden bin. Irgendwann fiel mir auf, dass mein Blick öfter von Anzeigen für Seniorenresidenzen und den Treppenlift von Lifta als von der Werbung für Dessous von Victoria's Secret angezogen wird. Ich bin darüber so erschrocken, dass ich mich inzwischen dazu zwinge, Berichte über das Liebesleben der Jungs von Tokio Hotel zu lesen, um den Anschluss an die Moderne nicht zu verlieren."

"Die Demonstranten aber fühlten sich eines Grundrechts beraubt und riefen das Gericht an. Das entschied, die Hisbollah sei Partei in einem bewaffneten Konflikt, bei dem man sowohl die eine wie die andere Seite unterstützen könne. Und so werden die Kinder und Enkel der Judenmörder von gestern demnächst unter der Fahne der Judenmörder von morgen für eine gerechte Endlösung der Nahost-Frage demonstrieren."

Die Achse der Guten
Spiegel - Toleranz hilft nur den Rücksichtslosen
Spiegel - Der Dichter und die Brandstifter
Kölner Stadtanzeiger
Ich sing für die Verrückten
Die seitlich Umgeknickten
Die eines Tags nach vorne fallen
Und unbemerkt von allen
An ihrem Tisch in Küchen sitzen
Und keiner Weltanschauung nützen
Die tagelang durch Städte streifen
Und die Geschichte nicht begreifen

Die sich vom Kirchturm stürzen
Die Welt noch mit Gelächter würzen
Und für den Tod beizeiten
Sich selbst die Glocken läuten
Die mit den Zügen sich beeilen
Um nirgendwo zu lang zu weilen
Die jeden Abschied aus der Nähe kennen
Weil sie das Leben Abschied nennen
Die auf den Schiffen sich verdingen
Und mit den Kindern Lieder singen
Die suchen und die niemals finden
Und nachts vom Erdboden verschwinden

Die Wärter stehen schon bereit mit Jacken
Um werkgerecht die Irrenden zu packen
Die freundlich auf den Dächern springen
Für diese Leute will ich singen
Die in den großen Wüsten sterben

Den Schädel längst schon voller Scherben
Der Sand verwischt bald alle Spuren
Das Nichts läuft schon auf vollen Touren
Die sich durchs rohe Dickicht schieben
Vom Wahnsinn wund und krank gerieben
Die durch den Urwald aller Seelen blicken
Den ganzen Schwindel auf dem Rücken

Ich sing für die Verrückten
Die seitlich Umgeknickten
Die eines Tags nach vorne fallen
Und unbemerkt von allen
Sich aus der Schöpfung schleichen
Weil Trost und Kraft nicht reichen
Und einfach die Geschichte überspringen
Für diese Leute will ich singen.

Hanns Dieter Hüsch

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