05.10.2010

Ich schäme mich...

Als Beinahe-Stuttgarter muss ich ganz ehrlich sagen: Ich schäme mich.


Einerseits schäme ich mich für den unverhältnismäßig übertriebenen Polizeieinsatz vom vergangenen Donnerstag gegen Kinder und Jugendliche, bei dem zum ersten Mal seit 40 Jahren in der schwäbischen Landeshauptstadt Stuttgart Wasserwerfer eingesetzt wurden. Viele Demonstranten wurden dadurch verletzt, darunter auch Kinder. Soetwas darf nicht passieren. Niemals darf der Staat Demonstranten und schon gar nicht Kinder verletzen, die größtenteils friedlich demonstrierten. Das ist eine Schande.
Anderseits schäme ich mich auch für einen großen Teil der Demonstranten, die sich einfach nur peinlich, ja geradezu schändlich verhalten.
Ebenso frage ich mich, warum die Teilnehmer der Schülerdemo vom Donnerstag die Dreistigkeit besaßen auf Polizei-LKWs mit Absperrgittern zu klettern und null Respekt den Beamten gegenüber zeigten. Warum waren dort überhaupt Kinder und Schüler? Und warum setzten sie sich derartigen Gefahren aus? Nur wegen ein paar Bäumen? Es ist traurig zu sehen, dass besonders viele junge Menschen sich gegen das Großprojekt Stuttgart21 derartig energisch und verblendet stark machen als wöllten sie die Menschheit vor der Apokalyse retten. Es lässt sich alles finden, von abstrusen DDR/BRD-Vergleichen über skurrile religiöse Mahnmale, Eltern die ihre Kinder mit zur Demo schleppen, bis hin zu Bäume-haben-eine-Seele Behauptungen. Ich kann den übertriebenen Widerstand nicht nachvollziehen. Aber soetwas von Null. 
Als ich gestern die Montagsdemonstration im Schlossgarten besuchte, an der angeblich 54.700 Menschen teilnahmen, war ich einerseits amüsiert, anderseits erschüttert von der volksfestähnlichen Stimmung vor Ort als auch von der überheblichen Art der Demonstranten - von denen viele im Übrigen entgegen der CDU-Behauptungen um 18.00 Uhr abends nicht den Eindruck von Berufsdemonstranten machten. Bei mir verfestigte sich jedenfalls der Eindruck, als ginge es bei Stuttgart 21 um etwas Übernatürliches.


Eines muss man mal definitiv anmerken: Es gibt viele Punkte, die für Stuttgart 21 sprechen und es gibt viele Punkte, auch liberale, die gegen das sozialistische Großprojekt sprechen. Aber alles im Allem muss ich zugeben, dass hinter dem Projekt viel mehr steht als ein unterirdischer Durchfahrtsbahnhof. Das Projekt ist ein ökonomisch höchst komplexes und durchdachtes Vorhaben, über dessen Erfolg, Sinn und Unsinn ich nicht urteilen kann. Ich kann nicht sagen, ob es klug oder dumm ist. Aber ich kann sagen, es ist töricht zu denken, man könnte über das Projekt urteilen und dann derartig Widerstand zu leisten - so wie viele Demonstranten es tun.

Ich bin die Diskussion satt und schäme mich im Grunde genommen für sie. Sollen sie endlich diesen bescheuerten Bahnhof bauen. Wann hat Baden-Württemberg sonst jemals wieder die Chance soviel Geld zu nehmen, wo es doch sonst seit jeher immer nur ein Geberland ist.


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