06.08.2011

Massaker in Syrien und die Liebe zum Status quo

Mir wird schlecht, wenn ich die fürchterlichen Videos auf YouTube oder Liveleak sehe - mit verletzten oder toten und zerfetzten jungen Syrern und Kindern, getroffen von Scharfschützen oder Panzergranaten... Dass in Syrien das Massakrieren trotz einer Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat weitergeht, sollte niemand verwundern. Für ungeheuerliche halte ich daher Forderungen Assad und seine Schergen der lieben Stabilität und Ungewissheit wegen gewähren zu lassen. "Was wenn Assad stürzt? Was wird dann aus Syrien? Bürgerkrieg? Ein islamistisches Emirat?" Ja, all das ist möglich. Doch genauso könnten gemäßigte Syrer an die Macht kommen und die syrische Diktatur in Geschichtsbücher verbannen. Und früher oder später wird das Regime fallen - wie alle Dikturen es irgendwann einmal fallen werden. Und dann? Stellen sich die gleichen Fragen wie oben wieder? Soll dann wieder ein Diktator erkoren werden, der den künstlich geschaffenen Staat Syrien mit Gewalt zusammenhält?

Gebe es die Möglichkeit Assad heute zu stürzen und nicht erst in 10 Jahren und tausende tote Zivilisten später, sollte man dies unverzüglich tun. Ein Sturz wird tragischerweise mit tausenden Toten einhergehen - so oder so. Lieber jetzt als später. Fällt das Regime, resultiert dies in Gewalt, die das Regime bewusst über Jahrzehnte hinweg gesät hat. Eine gewaltvolle Eskalation ist angesichtsdessen unumgänglich. So war es schon nach Saddams Sturz und so wird es auch beim Sturz anderer brutaler Diktatoren sein, die ethnische oder religiöse Gruppen versucht haben gegeneinander auszuspielen.

Aus realpolitischer Sicht ist - durchaus nachvollziehbar - ein Sturz Assads nicht zu begrüßen, da jene  Stabilitätsfetischisten in jeglicher Form der Veränderung des Status quo eine Gefahr für die eigene Sicherheit und Interessen sehen. Doch das syrische Regime selbst ist kein Stabilitätsfaktor. Das Regime sorgt für Gewalt im Libanon und im Irak, unterstützt Terroristen mit Waffen und Training, versucht mithilfe der Hisbollah immer wieder Israel in einen Krieg zu führen, arbeitet mit dem Iran und Nordkorea militärisch zusammen und plant(e) womöglich den Bau einer Atombombe. Warum soll so ein Regime gestützt, toleriert, akzeptiert oder ignoriert werden? Das Regime gehört gestürzt, komme was wolle. Die einzige Chance auf Freiheit, Demokratie und Frieden im Nahen Osten besteht durch grundlegende Änderungen innerhalb der Region. Doch solang an alten, willkürlichen Grenzen, an brutalen Diktaturen und Ängsten vor noch schlimmeren festgehalten wird, kann es im Nahen Osten keine Besserung geben. Wer mag zu wissen wie es in 10 Jahren dort aussieht. Mit Assad an der Spitze Syriens sicher nicht gut. 

Einem Sturz Assads sollte der Westen nicht mit Angst und Furcht begegnen, sondern darin eine Chance sehen. Eine Chance den ganzen Nahen Osten positiv zu verändern. Ein Ende des syrischen Regime führt unweigerlich zu einer Schwächung des Irans und der Hisbollah. Das wäre nicht nur gut für Israel, sondern auch für die gesamte Region - besonders für den Libanon. 
Natürlich setzt eine derartige Entwicklung auch eine mutigere und harschere Reaktion des Westens,  besonders Europas, voraus. Doch solang Europa weiterhin in Selbstmitleid, Nichtstun und Beschwichtigung vor sich hinsiecht, kann es keine Besserung geben. Solang droht Syrien wahrlich ein Bürgerkrieg mit tausenden Toten. Es liegt nicht nur an Syrien sich zu ändern, sondern auch an Europas Außenpolitik. 
Doch eines sollte klar sein: Realpolitik und die Beweihräucherung von Stabilität sind keine Lösung der Lage Syriens und des gesamten Nahen Ostens - sie sind vielmehr Teil des Problems.


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