10.07.2013

Snowden und die deutsche Staatsliebe

Die Enthüllung über die Methoden des britischen und amerikanischen Geheimdienstes durch den Whistleblower Edward Snowden empören die deutsche Medienlandschaft sowie viele Deutsche. Plötzlich waren sich alle einig, dass ein Geheimdienst (d.h. der Staat) derartiges nicht darf. Dies erinnere an Stasi-Methoden, heißt es, an ein totalitäres Regime. Dieser Vergleich ist in meinen Augen durchaus legitim, wenn es durchaus noch (!) einen Unterschied gibt. Noch werden diese Daten nur zur Terrorabwehr genutzt. Noch. Genau dieses noch ist der Punkt. Wer sagt, dass es bei Terrorabwehr bleibt? Wer sagt, dass diese Daten nicht auch irgendwann für andere Delikte verwendet werden? Und wie gut sind diese Daten vor Drittzugriffen geschützt? Auch wenn viele Konservative es nicht einsehen wollen, diese Sorgen sind berechtigt. Es kann nicht sein, dass Terroristen, die unsere Freiheit verachten, es schaffen, dass wir selbst unsere Freiheit aus Angst zu Grabe tragen. Das wäre ein Sieg des Terrorismus über die freiheitlich-rechtsstaatliche Prinzipien, auf welchen unsere Gesellschaft basiert. Es darf aus liberaler Sicht nicht sein, dass der Staat seine Bürger ausspioniert, warum auch immer. "Diejenigen, die bereit sind grundlegende Freiheiten aufzugeben, um ein wenig kurzfristige Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.", sagte einst Benjamin Franklin. Mit solchen Methoden etablieren und festigen sich totalitäre Regime. Je weniger der Staat weiß, desto besser. 

Was die ganze Diskussion aber heuchlerisch macht, ist die Empörung der Deutschen. Überwachung durch Geheimdienste, pfui, sagt der deutsche Michel einerseits. Anderseits ist es derselbe deutsche Michel, der einen Personalausweis mit sich führt, der sich beim Umzug beim Einwohnermeldeamt anmelden muss, der seine Kinder in eine staatliche Schule und Kita schickt, der eventuell selbst von einer staatlichen Universität ausgebildet wurde, der sich über das Versagen des Verfassungsschutzes bei den NSU-Morden empört, der gesetzlich krankenversichert ist und der für den Staatsfunk vorbildlich Gebühren bezahlt sowie auch sonst ohne Murren all seine Steuern tilgt. In diesen Fällen vertraut er vollkommen auf den Staat, aber wenn es um Überwachung geht, ohje, da hört die Staatsliebe aus unerklärlichen Gründen doch auf (außer es geht um den Kampf gegen Rechts).

Auch wenn diese Grenze der Staatsliebe irrational erscheint, vielleicht ist sie trotz allem ein gutes Zeichen für ein Restverbleib an liberaler Vernunft. Hoffen wir's.

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