Nach der Stern TV Sendung vom 11. September über Affenversuche am Max Planck Institut (MPI) für biologische Kybernetik, sendete Stern TV am vergangenen Donnerstag erneut eine Diskussionsrunde über die Versuche mit Makaken am MPI (hier eine Woche lang bei RTL Now). Ein halbes Jahr lang hatte ein Tierpfleger heimliche Aufnahmen von den Affen gemacht und diese vor mehr als einer Woche veröffentlicht. Bei der jetzigen zweiten Diskussionsrunde waren diesmal auch zwei Vertreterinnen des MPI, Almut Schüz sowie Tierschutzbeauftragte Silvia van Keulen anwesend. Auch "Pawel", der verdeckte Tierschützer war anwesend. Zur Diskussionsrunde gibt es nicht viel zu sagen, außer dass sich beide Seiten gegenseitig Vorwürfe machen.
Am Samstag kam es zu einer Demonstration in der Tübinger Innenstadt gegen die Tierversuche am MPI. Die Teilnehmerzahl wurde auf etwa 1200 geschätzt. Bei Facebook hatten sich mehr als 1700 Menschen angemeldet. Organisierte Busse brachten Tierschützer aus allen Teilen Deutschlands nach Tübingen. Boris Palmer wurde angeblich mit einem Stein (oder einer Kastanie) beworfen, wie er auf seiner Facebookseite mitteilte.
Im Zuge der Ausstrahlung bei Stern TV wurden die Sicherheitsvorkehrungen am MPI verschärft. Mehrere Mitarbeiter erhielten Todesdrohnungen per Telefon und EMail: „Ihr traut euch noch auf die Straße? Wenn ich einen von euch erwische, schneide ich ihm die Kehle durch.“
Inzwischen hat ein externer Gutachter, Stefan Treue vom Primatenzentrum in Göttingen, die Affenanlage in Tübingen besucht und keine Verstöße feststellen können. Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verteidigte das MPI und sprach von einer vermeintlichen Manipulation der Bilder. Ganz neu wäre dies für Tierschützer jedenfalls nicht, wie im Falle der Taubschen Therapie. Wenn man Bilder im Krankenhaus von Patienten nach operativen Eingriffen macht, entstehen vermutlich auch keine schönen Bilder. Es kann immer zu Komplikation kommen.
Der Affe Stella, der sich übergab und eine halbseitige Lähmung zeigte, hatte eine Hirnschädigung. Dies wurde einige Tage nach dem Auftreten der Symptomen unter Narkose in einem Terminalexperiment festgestellt. Laut MPI handelt es sich um einen extrem seltenen Krankheitsfall. Warum das Tier nicht früher eingeschläfert wurde hängt von dem Urteil des Tierarztes ab. Angeblich gibt es eine Anweisung des Regierungspräsidiums wonach erkrankte Tier erst einige Tage behandelt werden müssen, bevor man sie einschläfern darf. Scheitert die Behandlung, darf das Tier eingeschläfert werden. Das Terminalexperiment war im Falle von Stella kein Verhaltensexperiment. Der Affe war unter vollständiger Narkose und wacht aus dieser auch nicht mehr auf.
Zum Wasserentzug des Affen Boateng äußert sich das MPI wie folgt: Dem Affen wurde kein Wasser entzogen, im Gegenteil, der Affe wollte kein Wasser aufnehmen. In den Dokumenten wurde nur die Nahrungsaufnahme dokumentiert, aber nicht das Nahrungsangebot. Warum der Affe die Nahrung mehrere Tage nicht wollte, ist unklar. Vermutlich gelang er über andere Wege an Nahrung. Warum der Affe aber narkotisiert in den Primatenstuhl gesetzt wurde, erklärte das MPI noch nicht.
Nichtsdestotrotz erkannte das MPI Verbesserungsbedarf in der Organisation. Ab sofort soll es einen zusätzlichen externen Tierarzt geben, die Affen sollen nach der OP rund um die Uhr personell überwacht werden (um zu verhindern, dass sie ihre Nähte auffummeln), es werden vorerst keine neuen Versuche mit Affen beantragt, eine IT-gestützte Dokumentation wird eingeführt, und die Führstange wird beim Training nicht mehr verwendet.
Im folgenden noch einige Informationen. Am MPI für biologische Kybernetik werden 42 Makaken gehalten. Nur 8 der 42 Tiere werden für Verhaltensexperimente in Primatenstühlen verwendet. Etwa 10 Makaken werden pro Jahr getötet. Insgesamt wurden 2012 deutschlandweit 246 Affen in der Grundlagenforschung gehalten. Die Affen befinden sich etwa 90% der Zeit in Gemeinschaftsgehegen. Dass die Gehege penibel geputzt und dann trocken gewischt werden hat nichts damit zu tun, dass die Tiere kein Wasser abbekommen sollen, sondern hat ganz einfach hygenische Gründe. Es sei ziemlich einfach einen Affen verrückt zu machen und stereotypisches Verhalten auszulösen. Bei den Versuchen haben die Affen keinen Spaß, keine Frage. Kein Tier macht gerne an den Experimenten mit. Hier braucht sich niemand Illusionen zu machen. Diese Tatsache wird vom MPI nicht verleugnet, sollte hier aber nochmal hervorgehoben werden.
Und zum Abschluss möchte ich nochmal auf das bildgebende Verfahren des fMRT ("bunte Gehirnbilder") zurückkommen, das bei vielen Laien (aber auch Wissenschaftlern) als Alternative für invasive Methoden gehandelt wird. Die räumliche Auflösung beträgt üblicherweise 3x3x5mm³, im Schnitt etwa 55µl. Jeder Bildpunkt (genannt Voxel) eines fMRT-Scans bildet 55µl "Gehirngewebe" ab. In diesen 55µl befinden sich beim Menschen 5.5 Millionen Nervenzellen mit 10.000 mal so vielen Synapsen (5.5 gefolgt von 9 Nullen) und 242km an Nervenbahnen (22km an Dendriten und 220km an Axonen). Das ist jede Menge. Die zeitliche Auflösung liegt bei einigen Sekunden, d.h. was ein Bildpunkt/Voxel indirekt abbildet ist über ein Zeitraum von einigen Sekunden geschehen. Diese Art der räumlichen und zeitlichen Auflösung ist für wissenschaftliche Untersuchungen eher unbefriedigend und erlauben keine Rückschlüsse auf neuronale Mechanismen, die sich oft auf Einzelzellebene in einigen Millisekunden abspielen.
Disclaimer: Ich bin Doktorand der Neurowissenschaften in Tübingen, bin aber an keinen Affenversuchen beteiligt (und war es auch nie).
Hier die wichtigsten Links:
Am Samstag kam es zu einer Demonstration in der Tübinger Innenstadt gegen die Tierversuche am MPI. Die Teilnehmerzahl wurde auf etwa 1200 geschätzt. Bei Facebook hatten sich mehr als 1700 Menschen angemeldet. Organisierte Busse brachten Tierschützer aus allen Teilen Deutschlands nach Tübingen. Boris Palmer wurde angeblich mit einem Stein (oder einer Kastanie) beworfen, wie er auf seiner Facebookseite mitteilte.
Inzwischen hat ein externer Gutachter, Stefan Treue vom Primatenzentrum in Göttingen, die Affenanlage in Tübingen besucht und keine Verstöße feststellen können. Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verteidigte das MPI und sprach von einer vermeintlichen Manipulation der Bilder. Ganz neu wäre dies für Tierschützer jedenfalls nicht, wie im Falle der Taubschen Therapie. Wenn man Bilder im Krankenhaus von Patienten nach operativen Eingriffen macht, entstehen vermutlich auch keine schönen Bilder. Es kann immer zu Komplikation kommen.
Zum Wasserentzug des Affen Boateng äußert sich das MPI wie folgt: Dem Affen wurde kein Wasser entzogen, im Gegenteil, der Affe wollte kein Wasser aufnehmen. In den Dokumenten wurde nur die Nahrungsaufnahme dokumentiert, aber nicht das Nahrungsangebot. Warum der Affe die Nahrung mehrere Tage nicht wollte, ist unklar. Vermutlich gelang er über andere Wege an Nahrung. Warum der Affe aber narkotisiert in den Primatenstuhl gesetzt wurde, erklärte das MPI noch nicht.
Nichtsdestotrotz erkannte das MPI Verbesserungsbedarf in der Organisation. Ab sofort soll es einen zusätzlichen externen Tierarzt geben, die Affen sollen nach der OP rund um die Uhr personell überwacht werden (um zu verhindern, dass sie ihre Nähte auffummeln), es werden vorerst keine neuen Versuche mit Affen beantragt, eine IT-gestützte Dokumentation wird eingeführt, und die Führstange wird beim Training nicht mehr verwendet.
_____________________________________________________
Im folgenden noch einige Informationen. Am MPI für biologische Kybernetik werden 42 Makaken gehalten. Nur 8 der 42 Tiere werden für Verhaltensexperimente in Primatenstühlen verwendet. Etwa 10 Makaken werden pro Jahr getötet. Insgesamt wurden 2012 deutschlandweit 246 Affen in der Grundlagenforschung gehalten. Die Affen befinden sich etwa 90% der Zeit in Gemeinschaftsgehegen. Dass die Gehege penibel geputzt und dann trocken gewischt werden hat nichts damit zu tun, dass die Tiere kein Wasser abbekommen sollen, sondern hat ganz einfach hygenische Gründe. Es sei ziemlich einfach einen Affen verrückt zu machen und stereotypisches Verhalten auszulösen. Bei den Versuchen haben die Affen keinen Spaß, keine Frage. Kein Tier macht gerne an den Experimenten mit. Hier braucht sich niemand Illusionen zu machen. Diese Tatsache wird vom MPI nicht verleugnet, sollte hier aber nochmal hervorgehoben werden.
Und zum Abschluss möchte ich nochmal auf das bildgebende Verfahren des fMRT ("bunte Gehirnbilder") zurückkommen, das bei vielen Laien (aber auch Wissenschaftlern) als Alternative für invasive Methoden gehandelt wird. Die räumliche Auflösung beträgt üblicherweise 3x3x5mm³, im Schnitt etwa 55µl. Jeder Bildpunkt (genannt Voxel) eines fMRT-Scans bildet 55µl "Gehirngewebe" ab. In diesen 55µl befinden sich beim Menschen 5.5 Millionen Nervenzellen mit 10.000 mal so vielen Synapsen (5.5 gefolgt von 9 Nullen) und 242km an Nervenbahnen (22km an Dendriten und 220km an Axonen). Das ist jede Menge. Die zeitliche Auflösung liegt bei einigen Sekunden, d.h. was ein Bildpunkt/Voxel indirekt abbildet ist über ein Zeitraum von einigen Sekunden geschehen. Diese Art der räumlichen und zeitlichen Auflösung ist für wissenschaftliche Untersuchungen eher unbefriedigend und erlauben keine Rückschlüsse auf neuronale Mechanismen, die sich oft auf Einzelzellebene in einigen Millisekunden abspielen.
Disclaimer: Ich bin Doktorand der Neurowissenschaften in Tübingen, bin aber an keinen Affenversuchen beteiligt (und war es auch nie).
Hier die wichtigsten Links:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen