21.12.2014

Nordkorea und der Sony-Hack

Update: Etwa 200 unabhängige Kinos in den USA werden den Film "The Interview" wie anfangs angekündigt am 25. Dezember zeigen. Sony genehmigte den Filmstart.

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Sony Pictures zieht die Veröffentlichung der Komödie "The Interview" (Trailer) für den 25. Dezember zurück. Auch eine Veröffentlichung auf DVD oder im Internet per Video on Demand sei nicht geplant (inzwischen rudert Sony ein wenig zurück und schließt eine Veröffentlichung doch nicht mehr kategorisch aus). Wann und ob überhaupt die Polit-Komödie der beiden Kanadier Seth Rogen und Evan Goldberg über ein Mordkomplott des CIA gegen Kim Jong-un veröffentlicht wird, steht damit in den Sternen. Was war passiert? (Skurrile Videokurzzusammenfassung)

Die "Kontroverse" um den Film begann im Sommer 2014. Im Juli beschwerte sich Nordkorea offiziell bei den Vereinten Nationen über den Film, in dem Kim Jong-un getötet wird (hier die PDF). 
"To allow the production and distribution of such a film on the assassination of an incumbent Head of a sovereign State should be regarded as the most undisguised sponsoring of terrorism as well as an act of war. 
The United States authorities should take immediate and appropriate actions to ban the production and distribution of the aforementioned film; otherwise, it will be fully responsible for encouraging and sponsoring terrorism."

Im August gab Sony Pictures bekannt die Veröffentlichung des Film von Oktober auf Dezember 2014 zu verschieben, um ihn in der Postproduktion nochmals zu editieren. Dadurch sollte Nordkorea beruhigt werden. Unter anderem wurde das realistische Design der nordkoreanischen Militäruniform zu fiktiven geändert und Kim Jong-uns Todesszene gekürzt. Des Weiteren sei eine Veröffentlichung in Asien-Pazifik nur in Australien und Neuseeland geplant, nicht aber in Südkorea oder Japan.

Bis November blieb es ruhig um The Interview, dessen Produktionskosten sich auf etwa 44 Millionen US-Dollar beliefen. Am 24. November gelang es dann unbekannten Hackern die Computersystem von Sony Pictures Entertainment anzugreifen und 38 Millionen Dateien zu stehlen. Einige noch unveröffentlichte Filme und Dokumente, wie interne E-Mails, Drehbücher, Adressen von Mitarbeitern und Gehaltsbücher von Schauspielern, wurden im Internet veröffentlicht. Am 8. Dezember veröffentlichte die bis dato unbekannte Gruppe "Guardians of Peace" (GOP) weitere Dokumente mit der Forderung den "terroristischen Film" (sprich The Interview) zu stoppen. Diesen hatten sie nämlich überraschenderweise nicht geleakt.

Am 16. Dezember drohte die GOP mit Anschlägen auf Kinos, welche den Film The Interview zeigen würden: 
We will clearly show it to you at the very time and places ‘The Interview’ be shown, including the premiere, how bitter fate those who seek fun in terror should be doomed to. Soon all the world will see what an awful movie Sony Pictures Entertainment has made. The world will be full of fear. Remember the 11th of September 2001. We recommend you to keep yourself distant from the places at that time. (If your house is nearby, you’d better leave.)
Whatever comes in the coming days is called by the greed of Sony Pictures Entertainment. All the world will denounce the SONY.

Die größten Kinoketten in den USA und danach einige kleinere Betreiber kündigten darauf an den Film aufgrund von potentiellen Terroranschlägen (oder konkreter Cyberangriffen) nicht zu zeigen. US-Ermittler hielten die Drohung von direkten Anschlägen zwar nicht für glaubwürdig, aber Cyberangriffe auf die einzelnen Kinos oder Kinoketten könnten nicht ausgeschlossen werden. Erst nachdem ein Großteil der Kinos sich weigerten den Film zu zeigen (!), sagte Sony Pictures schließlich die Veröffentlichung von The Interview vollständig ab.

Einzelne, unabhängige Kinos planten daher am 27. Dezember anstatt The Interview Team America (Trailer) zu zeigen. Hier stirbt der Führer Nordkoreas, damals noch Kim Jong-uns Vater, Kim Jong-il durch die Pickelhaube eines Deutschen. Leider untersagte die Produktionsfirma hinter Team America, Paramount Pictures, diese Aktion.

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Obama (Video) kommentierte die Entscheidung Sonys den Film nicht zu veröffentlichen folgendermaßen:
"We cannot have a society in which some dictator someplace can start imposing censorship here in the United States. Because if somebody is able to intimidate folks out of releasing a satirical movie, imagine what they start doing when they see a documentary they don’t like or news reports that they don’t like. Or even worse, imagine if producers and distributors start engaging in self-censorship because they don’t want to offend the sensibilities of somebody whose sensibilities probably need to be offended."

Kurz darauf beschuldigt die US-Regierung erstmals offiziell Nordkorea hinter dem Cyberangriff und der Drohung zu stecken. Das FBI gab bekannt, dass es Ähnlichkeiten zwischen dem Cyberangriff auf Sony und vorherigen nordkoreanischen Cyberangriffen gab, wie jene gegen südkoreanische Banken und Nachrichtenagenturen im Jahr 2013. Einige Codestücke seien auch in koreanischer Sprache formuliert wurden. Dennoch sind die veröffentlichten Beweise eher dürftig. Nordkorea wies die Anschuldigung abermals zurück ("We [North Koreans] have a way to prove that we have nothing to do with the case [Sony Hack] without resorting to torture as what the CIA does.") und schlug eine gemeinsame Untersuchung vor. 

Zweifel daran (siehe hier und hier), dass Nordkorea hinter der Attacke steckt, kommt besonders dadurch auf, dass das alles wenig Sinn macht. Gut, man kann argumentieren das nordkoreanische Regime versucht sein Strategie von weak, fearsome und lunatic zu wahren (wie hier) und Nordkorea selbst verfügt angeblich über eine 3000 Mann starke Hackergruppe. Aber soweit hat Nordkorea noch nie derartig offensichtlich plump einen Cyberangriff unternommen und öffentlich Forderungen gestellt. Auch möglich könnte es sein, dass eine unabhängige Hackergruppe den Zugang zu Sony Picture an Nordkorea verkauft hat. Dies würde zumindest erklären, warum die Hacker anfangs nicht so sehr an dem Film The Interview interessiert waren. 

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Im Übrigen arbeitet hier gerade gewaltig der Streisand effect. Durch die versuchte Zensur des Films durch die Hacker, wurde The Interview erst ins Rampenlicht gerückt. Gut möglich, dass ihn jetzt mehr Menschen sehen wollen (und hoffentlich werden), als ursprünglich geplant. Vielleicht auch alles nur ein genialer Marketingschachzug von Sony. Bei imdb erreichte The Interview inzwischen die Höchstpunktzahl von 10.0 Punkten. Da ein Prescreening bereits am 11. Dezember in Los Angeles statt gefunden hatte, finden sich einige Filmkritiken über den Film bereits im Netz, meist mit einer eher mittelmäßigen Bewertung.

Ach, und noch nebenbei, eine Pornoadaption von "The Interview" unter dem Titel "This Ain't The Interview XXX" ist bereits geplant. Lary Flynt sagte dazu:
If Kim Jong-un and his henchmen were upset before, wait till they see the movie we’re going to make. [...] I’ve spent a lifetime fighting for the First Amendment, and no foreign dictator is going to take away my right to free speech.
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Abseits von The Interview stimmten in New York diese Woche 116 Staaten der UN-Vollversammlung dafür, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea untersuchen solle. 53 Länder enthielten sich, 20 (u.a. China, Russland, Weißrussland, Kuba, Iran, Syrien und Venezuela) sprachen sich gegen die nicht-bindende Resolution aus. Die Resolution wird jetzt an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet, in welchen China und Russland höchstwahrscheinlich ein Veto einlegen werden.


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