Bei Stratfor ist eine
ausgezeichnete Analyse George Friedmans über Nordkorea, die Rolle der USA und einen möglichen Truppenabzug aus Südkorea erschienen. Ich möchte im folgenden auf einige Punkte der Analyse eingehen, die ich besonders interessant fand:
George Friedman geht davon aus, dass niemand außerhalb Nordkoreas ernsthaft eine Änderung des Status Quo wünscht. Allen wichtigen Akteuren, also den USA, Südkorea, China, Russland und auch Japan, ist die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel heilig. Friedman geht sogar davon aus, dass Nordkorea die Stationierung der US-Truppen in Südkorea womöglich willkommen heißt. Ein möglicher Grund hierfür: Die US-Truppen minimieren die Gefahr von abenteuerlichen Aktionen seitens Südkorea.
Dann geht er auf die waghalsige und geniale Überlebensstrategie Nordkoreas ein, die das Land seitdem Ende des Kalten Krieges verfolgt: Es versucht nach außen schwach, furchterregend und gleichzeitig wahnsinnig zu wirken, um so seine Existenz zu sichern.
Erstens, so Friedman, soll es für äußere Mächte so erscheinen, als könnte Nordkorea jeden Moment kollabieren. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, ein schwaches Nordkorea würde für niemanden eine Gefahr darstellen, außer im Falle einer äußersten Provokation oder eines Kollaps.
Zweitens, versucht es gleichzeitig durch den Bau einer Atombombe furchterregend nach außen zu wirken. Es habe aber eventuell sogar bewusst (!) - und das ist ein sehr interessanter Punkt - nicht erfolgreiche Atombomben- und Interkontinentalraketentests durchgeführt. Ein erfolgreicher Atombombentest könnte die Gefahr einer Intervention seitens der USA erhöhen. Dieses Risiko versucht Nordkorea möglichst gering zu halten. Daher ist Nordkorea bewusst immer kurz davor einen erfolgreichen Atombombentest durchzuführen - führt diesen aber absichtlich nie durch. So hat niemand etwas gegen Kims Regime in der Hand. Solange Nordkorea also nicht erfolgreich eine Atombombe testet, solange scheint es sicher vor einer Intervention oder ernsthaften (beziehungsweise ernsthafteren) Sanktionen zu sein. Hinzufügen möchte ich noch, dass Nordkorea ferner die Drohung bald einen erfolgreichen Atombombentest durchzuführen geschickt in Verhandlungen nutzen kann und so
mit dem Versprechen sein Nuklearprogramm zu stoppen weitreichendere Zugeständnisse der Verhandlungspartner erwirken kann.
Der dritte Punkt in Nordkoreas Überlebensstrategie ist wahnsinnig zu wirken: Beispielsweise im Falle eines Kollaps vor dem Gebrauch von Atombomben nicht zurück zuschrecken und die komplete Halbinsel in Schutt und Asche zu legen. Damit widerspricht Nordkorea dem Gleichgewicht des Schreckens. Denn ein möglicher atomarer Gegenschlag der USA gegen Nordkorea würde das Regime in Pjöngjang nicht abschrecken. Würde Nordkorea rational handeln, würde es niemals seine Atomwaffen gegen Südkorea oder Japan einsetzen. Da es aber nach außen so scheint, dass Nordkorea total wahnsinnig, unberechenbar und irrational handelt, kann auch niemand sicher sein, dass es nicht doch irgendwann seine Atomwaffen nutzt. Dadurch versuchen alle beteiligten Akteure, besonders Südkorea, möglichst behutsam und vorsichtig mit Nordkorea umzugehen.
Da würde ich noch gerne hinzufügen, dass der nordkoreanische Wahnsinn womöglich direkt die Sonnenschein-Politik des Südens zur Folge hatte.
Man hat wirklich alles versucht, Nordkorea nicht zu kränken und "böse" zu machen. Das ging so einige Zeit auch ganz gut, nur Zeiten und Politiker ändern sich. Und ewig kann man Südkorea, Japan und die USA eben auch nicht an der Nase herum führen.
Trotzallem scheinbaren "Wahnsinns" hat Nordkorea es verstanden die unsichtbare Linie nicht zu überschreiten, die einen Gegenschlag seitens der USA und Südkorea bedeuten würde. Selbst beim
Versenken der Cheonan und beim
Bombardement der Insel Yeonpyeong, bei welchem zwei südkoreanische Zivilisten getötet wurden, blieb ein Gegenschlag aus.
Ob es sich bei diesen beiden Provokationen wirklich um geniale und vollens durchdachte Schachzüge gehandelt hat? Oder ob sie doch der Beweis für ein irres Regime sind? Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntlich nah beieinander. Die nicht-militärische Reaktion der USA und Südkoreas zeigte jedefalls, dass Nordkoreas Strategie wahnsinnig, schwach und furchterregend zu wirken noch immer funktioniert. Aus meiner Sicht spielt Nordkorea zweifelslos ein gewagtes und nicht nur gefährliches, sondern auch tödliches Spiel.
Im letzten Abschnitt wendet sich Friedman China zu. China selbst nutzt Nordkorea als eine Art Ablenkung. Immer wenn sich die USA über Nordkorea bei China beschweren, können sie sich nicht auch gleichzeitig über andere Themen auslassen. China kann so über Nordkorea die amerikanischen Außenpolitik beeinflußen.
Hier der ganze Artikel: