28.06.2007

Der tödliche Wahn in Nahost

Mal ein guter Artikel aus der linken Zeitung "Jungle-World":
"Die destruktive Dynamik, die mit dem Ende der baathistischen Diktatur im Irak freigesetzt wurde, hat dem Diktum Bernard Lewis’ eine weitere bedrückende Variante hinzugefügt: Wenn wir sie nicht befreien, zerstören sie sich selbst. So in etwa könnte man die Bitte der irakischen Regierung übersetzen, die Stationierung amerikanischer Truppen im Lande wenigstens bis Ende 2008 zu verlängern."

"Es wurden aber auch jene Probleme offen gelegt, die in allen arabisch-islamischen Gesellschaften existieren und lediglich mehr schlecht als recht verborgen werden. Denn es handelt sich bei diesen Staaten, ob sie, wie Ägypten, von den USA alimentiert werden oder, wie Syrien, sich als Speer­spitze des Antiimperialismus verstehen, um potenzielle failed states. Einzig immense aus Ölrenten oder Hilfsgeld finanzierte Bürokratien und Repression halten sie noch zusammen."

"Die derzeit im Irak ausgetragenen Konflikte wurden nicht von ­amerikanischen Truppen eingeschleppt. Die Unter­drückung nicht arabischer und nicht muslimischer Bevölkerungsgruppen, das extreme Übergewicht des Militärischen, auch in der Innenpolitik, der Bankrott der Staatswirtschaft und die fortschreitende Pauperisierung der Bevölkerung unter Saddam Hussein schufen die Grundlage. Gesellschaftliche Merkmale wie die brutale Unterdrückung von Frauen, das Fehlen einer einflussreichen und eigene Interessen ­vertretenden Bürgerschicht, die Vernichtung oder Exilierung der Intelligenz, die Entstehung illegaler Strukturen in verelendeten Landstrichen, die anhaltend große Bedeutung von Familien- und Clanstrukturen und die weitgehende Bedeutungslosigkeit des Individuums sind keine Besonderheiten des Irak. Sie finden sich in den meisten Staaten der Region, allerdings ließ die extreme diktatorische Gewalt des Baath-Regimes sie besonders scharf hervortreten."

"Um den mäßigenden Zwang staatlicher Institutionalisierung gebracht, tritt in Gaza wie im irakischen Bakuba zu Tage, was die Basis der autoritären Mobilisierung im Nahen Osten ist: der beständige Zwang unter das zuerst familiäre, dann nationale oder islamische Kollektiv, die vollständige Unterwerfung des Individuums und die im Zelebrieren rohester Gewalttätigkeit zum Ausdruck gebrachte Veräußerlichung einer lang anhaltenden Unterdrückungsleistung, die vom Kindesalter an das Leben bestimmt."

Besonders schockierend ist diese Tatsache mit den Gurken und Tomaten, die an mir irgendwie völlig vorbei gegangen ist:
"In Gaza wie in Bakuba wird zugespitzt ein Kon­flikt ausgetragen, der die Gesellschaften des gesamten arabischen Ostens kennzeichnet. Anhänger von alQaida, die im Irak Gemüsehändler ermorden, weil diese Gurken neben Tomaten verkaufen, also angeblich männliche und weibliche Symbole vermischen, führen nur konsequent einen tödlichen Wahn zu Ende, der längst normativ geworden ist."

"In dieser Hinsicht haben die Neocons Recht behalten. Die meisten europäischen Regierungen dagegen haben bis heute nicht verstanden, was auf dem Spiel steht, und verharren, in selbstgerechtem Antiamerikanismus, in einer Position, die bereits vor zehn Jahren falsch war und seitdem zur Ausbreitung von Chaos und Gewalt beigetragen hat."

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